JOSEF DIETZGEN'S
ANALYTISCHE DIALEKTIK

Josef Dietzgen, geboren 1828 im heutigen Hennef im Rhein-Sieg-Kreis, gehört zu den wichtigsten Theoretikern des Marxismus. Aber wie allzu viele seiner Standesgenossen wurde auch er von W.I. Lenin zum "Ketzer" erklärt. Aus dem Kanon der offiziellen Sowjetideologie wurde er daher verbannt. In der DDR und den übrigen Ostblockstaaten konnten seine Schriften nur noch als Apokryphen gelesen werden. - Sei es durch Restbestände aus der Weimarer Republik, Schmuggelware aus dem Westen oder Samisdat.

Dabei sind sein "Wesen der Menschlichen Kopfarbeit" und die "Briefe über Logik" trotz des eigenwilligen Schreibstils Schlüsseldokumente, um sich die Marx'sche Dialektik zu erschließen.

So schreibt Freidrich Engels in "Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie" über das marxistische Philosophieren: "diese materialistische Dialektik, die seit Jahren unser bestes Arbeitsmittel und unsere schärfste Waffe war, wurde merkwürdigerweise nicht nur von uns, sondern außerdem noch, unabhängig von uns und selbst von Hegel, wieder entdeckt von einem deutschen Arbeiter, Josef Dietzgen".

Dies allein könnte schon Grund genug sein, mal einen Blick in die Arbeiten von Dietzgen zu werfen.

Allerdings gibt es noch einen weiteren: Während Hegels Dialektik synthetisch ist, arbeitet Dietzgen analytisch.

Für Hegel "bewegt" sich z.B. der Begriff "Ursache", um dann durch Negation zur "Wirkung" zu werden, und schließlich durch Negation der Negation zur "Wechselwirkung".

Dietzgen geht umgekehrt davon aus, dass "Wechselwirkung" der eigentliche reale Sachverhalt ist, und der menschliche Verstand die gegenteiligen Begriffe "Ursache" und "Wirkung" lediglich deshalb bildet, weil er sie anders nicht verarbeiten kann.

Dies führt zu einer gänzlich anderen Lesart der Klassiker des Marxismus...